EuGH: Kostenerhebung für Inanspruchnahme von Gewinnversprechen nicht zulässig
Geposted am von Rechtsanwalt Boris Hoeller
Der Europäische Gerichtshof hält Handlungen, die in Bezug auf die Inanspruchnahme eines Preises von der Zahlung eines Betrags oder der Übernahme von Kosten durch den Verbraucher abhängig gemacht werden für unzulässig (Rechtssache C-428/11). Dies gelte auch, wenn der Gewerbetreibende dem Verbraucher für die Inanspruchnahme eines Preises etwa verschiedene Vorgehensweisen anbietet, von denen zumindest eine gratis ist, sofern eine oder mehrere der angebotenen Vorgehensweisen voraussetzen, dass der Verbraucher Kosten übernimmt, um sich über den Preis oder die Modalitäten seiner Entgegennahme zu informieren. Selbst dem Verbraucher auferlegte Kosten, wie z. B. die Kosten einer Briefmarke, die im Vergleich zum Wert des Preises geringfügig sind oder dem Gewerbetreibenden keinen Vorteil bringen, seien unzulässig.
Im Ausgangsrechtstreit vor dem Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) war es einerseits für möglich gehalten worden, das bei hinreichend deutlichen Hinweisen auf die Kostenpflichtigkeit eine Täuschung des Verbrauchers schon nicht vorliegen würde oder dass ggf. im Vergleich zum Wert des Gewinns geringfügige Kosten für dessen Inanspruchnahme vom Verbot nicht erfasst seien. Dem ist die sechste Kammer des Gerichtshofs entgegengetreten.
Im Streitfall geht es um Werbesendungen an Verbraucher, die teilweise individuell adressiert waren, teilweise in Zeitungen beilagen. Dem jeweiligen Empfänger wurde mitgeteilt, er habe einen Preis gewonnen. Um zu erfahren, um welchen Preis es sich handelte konnten Verbraucher eine kostenpflichtige Telefon-Hotline anrufen; auf die Möglichkeit eine kostenlosen Information wurde nur zurückhaltend hingewiesen. In anderen Fällen war die Inanspruchnahme des Preises nur möglich, wenn der Verbraucher für die Versicherungskosten und Versandkosten aufkam. Dabei blieb unerwähnt, dass ein Teil der zu zahlenden Beträge an die Werbefirmen floß.
Die im Streitfall zugrundeliegenden Geschäftspraktiken seien aggressive, weil durch die Erwähnung eines Preises die psychologische Wirkung ausgenützt werden soll, die die Aussicht auf einen Gewinn beim Verbraucher hat, und dieser zu einer Entscheidung veranlasst werden soll, die nicht immer rational ist und die er andernfalls nicht getroffen hätte (Rn. 49), so dass es auf Irreführungen nicht ankommen könne.
Gerade durch die Aussicht, den Preis in Besitz nehmen zu können, werde der Verbraucher beeinflusst und er könne dadurch zu einer Entscheidung veranlasst werden, die er andernfalls nicht getroffen hätte, indem er z. B. den schnellsten Weg wählt, um in Erfahrung zu bringen, welchen Preis er gewonnen hat, obwohl gerade dieser vielleicht zu den höchsten Kosten führt. Das Argument, bei einer angemessenen Aufklärung des Verbrauchers über die Art des Preises und die Bedingungen, unter denen er ihn in Anspruch nehmen könne, müsse der Schluss zulässig sein, dass die Praktik nicht unlauter sei, ließ der EuGH nicht gelten. In diesem Zusammenhang sei zwischen dem Preis selbst und dessen Inanspruchnahme zu unterscheiden. Denn die Beschreibung des Preises sei zwar für den Verbraucher verbindlich, doch verbietet die Nr. 31 des Anhangs I der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, dass die Handlungen in Bezug auf die Inanspruchnahme des Preises von der Zahlung eines Betrags oder der Übernahme von Kosten durch den Verbraucher abhängig gemacht werden. Dies gelte absolut.
Nach den Äußerungen des Europäischen Gerichtshofs kommt es letztlich auf eine klare und deutliche Definition des Preises an. So umfasse ein als „Eintrittskarte“ für ein bestimmtes Fußballspiel definierter Preis nicht die Fahrt des Verbrauchers von seinem Wohnort zu dem Fußballstadion, in dem dieses Spiel stattfindet. Besteht dagegen der Preis ohne nähere Angabe im „Besuch“ dieses Spiels, hat der Gewerbetreibende die Fahrtkosten des Verbrauchers zu tragen (Rn. 52). Die Kosten für die Inbesitznahme der Tickets dürften aber zu Lasten des den Gewinn versprechenden Unternehmers gehen.
Die Frage danach, ob der Unternehmer eine klare und angemessene Aufklärung des Verbrauchers leiste, sei von den nationalen Gerichten nach den Vorgaben der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt zu beurteilen.